Irmgard Streitlein-Böhme und Klaus Böhme
Der Referentenentwurf zur neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) vom November 2020
macht das Fach Allgemeinmedizin zu einem der Kernfächer in der medizinischen Ausbildung der Zukunft.
Dabei wird die Allgemeinmedizin im Rahmen von 2 zweiwöchigen und 2 einwöchigen Blockpraktika (insgesamt 6 Wochen zwischen dem 2. und 10. Fachsemester) mit vor- und nachbereitendem Seminarunterricht longitudinal im Curriculum des Medizinstudiums verankert. Die praktischen Übungen, Seminare und gegenstandsbezogenen Studiengruppen sind durch Vorlesungen (auch digital) systematisch vorzubereiten oder zu begleiten.
Dafür wird die Pflichtfamulatur in einer Praxis der primärärztlichen Versorgung wieder abgeschafft, ist aber als Wahlfamulatur weiterhin möglich. Die Famulaturzeiten in klinischen Studienabschnitt werden von 4 auf insgesamt 3 Monate gekürzt.
Eine Qualifizierung von Lehrpraxen ist ausdrücklich in der ÄApprO verankert. Sowohl im Blockpraktikum als auch im Praktischen Jahr muss der/die Ausbilder*in ein/eine Fach*ärztin sein und er/sie muss eine entsprechende didaktische Qualifizierung absolviert haben.
Die Rahmenbedingungen sind für die Ausbildung nach neuer ÄApprO konkreter vorgegeben. Dazu gehören, dass der Umfang der Blockpraktika 30 Stunden pro Woche beträgt und dass nur ein/eine Student*in pro Arzt/Ärztin in der Lehrpraxis ausgebildet werden kann. Allerdings sind bei letzterem begründete Ausnahmen möglich. Das sechswöchige, longitudinal über das Studium verteilte Blockpraktikum sollte für jeden/jede Student*in möglichst nur in zwei verschiedenen Lehrpraxen stattfinden. Den Studierenden sollten ein Sprechzimmer mit Computerausstattung zeitweise Verfügbarkeit stehen, damit eigenständige Patient*innengespräche und körperliche Untersuchungen durchgeführt werden können.
Im Praktischen Jahr sollen die bisherigen drei Tertiale in vier Quartale umgewandelt werden, ein Quartal dauert somit 12 Wochen. Als Pflichtfächer bleiben wie bisher die Innere Medizin und die Chirurgie bestehen. Zusätzlich wird es zwei Wahlfächer geben, wobei ein Wahlfach im ambulanten Setting, z.B. in der Allgemeinmedizin oder in einer anderen gebietsärztlichen Praxis oder auch im Gesundheitsamt oder in einer anderen gebietsärztlichen Praxis stattfinden soll.
Neben der – wie bereits im Blockpraktikum geforderten – Qualifizierung der Lehrenden in PJ-Praxen sind auch für das Praktische Jahr bestimmte Rahmenbedingungen im Referentenentwurf zur ÄApprO festgelegt. Dazu gehört, dass nur 1 Studierende*r pro Facharzt*ärztin in der Lehrpraxis ausgebildet werden darf, die Präsenz für die Studierenden in den PJ-Praxen ganztägig an allen Wochenarbeitstagen festgelegt ist und dass mindestens zeitweise ein eigenes Sprechzimmer mit Computerausstattung und Zugang zum elektronischen Praxisverwaltungssystem zur Verfügung stehen muss, damit täglich selbstständige Patient*innengespräche und körperliche sowie ergänzende Untersuchungen an Patient*innen durchgeführt werden können.
Außerdem sollen regelmäßige Fallbesprechungen mit den Studierenden durchgeführt werden und alle erhalten eine wöchentliche Studienzeit von 8 Stunden. Die Fehlzeit pro Quartal darf nicht mehr als 15 Tage überschreiten. Zusätzlich zur Praxiszeit werden zentrale, ggf. digitale Lehrveranstaltungen für alle PJ´ler*innen stattfinden, für die die Studierenden in den Praxen freigestellt werden.
Die Ausbildung im praktischen Jahr erfolgt nach dem Logbuch der jeweiligen Universität, der die Lehrpraxis angehört. Die Logbücher sollen verpflichtende und optionale Ausbildungsziele enthalten, die sich an den Lernzielen des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkataloges Medizin, der im März 2021 veröffentlicht wird, orientieren. Sie sollen Vorgaben für strukturierte Ausbildungsgespräche enthalten sowie eine Mindestanzahl an arbeitsplatzorientierten Prüfungen innerhalb des Praktischen Jahres.
Die Allgemeinmedizin soll nach dem Referentenentwurf das dritte Pflichtprüfungsfach für alle Studierenden im 3. Staatsexamen werden und dabei soll das Fach in einer mündlich-praktischen Prüfung an einer*m ambulanten Patienten*in geprüft werden. Es ist geplant, dass diese Prüfungen in den allgemeinmedizinischen Lehrpraxen stattfinden.
Jede Prüfung an Patient*innen dauert für jeden Studierenden ca. 6 und für die Prüfer*innen ca. 2,5 Stunden. Im Einzelnen dauern die Prüfungsteile wie folgt:
Zeitumfang | Prüfungsinhalte | Prüfer*innen anwesend |
60 Minuten | Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung | ja |
5 Minuten | intraprofessionelle Übergabe | ja |
5 Minuten | Diskussion der klinischen Fragestellung | ja |
90 Minuten | evidenzbasierte Bearbeitung der klinischen Fragestellung | nein |
30 Minuten | Klinische Entscheidungsfindung und Dokumentation | nein |
15 Minuten | Vorstellung und Diskussion der zu der klinischen Fragestellung gefundenen Antwort | ja |
5 Minuten | Erläuterung der Dokumentation und der getroffenen Anordnungen zur weiteren Therapie | ja |
10 Minuten | Interprofessionelle Übergabe | ja |
120 Minuten | Erstellung der Patient*innenberichte | nein |
Bei der Erstellung der Patient*innenberichte sind ein evidenzbasierter Patient*innenbericht sowie ein Bericht in einfacher, patient*innenverständlicher Sprache vorgesehen.
Zusätzlich ist geplant, dass es im 3. Staatsexamen eine 10 Stationen umfassende Parcoursprüfung geben soll, 2 Stationen á 10 Minuten werden dabei von der Allgemeinmedizin bereitgestellt.
Es kann also sehr gut sein, dass sich viele Studierende dafür entscheiden, eines der Wahlfächer in der Allgemeinmedizin zu absolvieren, um für die Staatsexamensprüfung optimal vorbereitet zu sein.
Die folgende Tabelle zeigt noch einmal alle 3 Staatsexamensprüfungen (STEX) im Überblick:
Alle Prüfer*innen müssen geschult werden, sowohl für die Prüfung an Patient*innen als auch für die Parcoursprüfung.
Die neue ÄApprO kommt früher auf uns zu, als wir vielleicht gedacht haben. Wenn sie wie geplant 2025 in Kraft tritt, dann gilt sie
- für Studierende des 1. Semesters ab 1.10.2025
- für Studierende im 4. bzw. 6. Semester: 1. Staatsexamen (1. STEX) ab 1.10.2028
- für Studierende im 10. Semester: 2. Staatsexamen (2. STEX) ab 1.10.2025
- für Studierende im PJ: 3. Staatsexamen (3. STEX) ab 1.10.2026